Die goldene Gegenwart

Ich bin in meinem Lieblingspark. Auf meinem Lieblingshügel. Ich nenne ihn “sunshine hill”. Der Hügel, der es schafft, sogar das letzte bisschen Sonnenstrahlen dieser kühlen und sonnigen Herbsttage einzufangen. Der kleine Hügel inmitten der bunten Herbstbäume, der jeden Nachmittag eine kleine, ausgewählte Gruppe von Leuten auf seine Parkbänke in den Sonnenbann zieht. Ich bin eine von diesen. Rund um mich auf den Bänken ist der Altersdurchschnitt ein wenig gewachsen und höher als meiner. Das passt gut, denke ich und lächle über meine alte Seele.

Ich sitze und schreibe. Lasse die Gedanken einfach aus mir heraus prasseln in mein Buch hinein, bis mich die zaghafte, bestimmte Stimme einer älteren Dame aus den Gedanken weckt. “Ist da noch Platz?” fragt sie, auf ihren Rollator gestützt und auf die zweite, leere Hälfte meiner Bank zeigend. “Yes chica”, denke ich, aber raus kommt ein freundliches “Ja natürlich” und ich lächle sie einladend an, während ich meine Jacke auf die Seite schiebe. Sie setzt sich, breitet sich aus, seufzt einmal auf und beginnt irgendwas daher zu murmeln, in sich hinein, in Ruhe und irgendwie in Einklang mit der Umgebung. “Lass mich bitte in Frieden”, denke ich und versinke selbstbezogen weiter in mein Schreiben. Doch die gute Lady hat ihre eigene Definition von Frieden und fängt an, Dinge um sich herum zu kommentieren. “Die Sonne tut gut”, höre ich sie schmunzeln. Ich lächle leicht und schreibe weiter.

“Lernst du?” höre ich ihre Stimme fragend. Ich schaue auf und nicke, erneut lächelnd. Eine Erklärung, was genau ich hier eigentlich mache, scheint mir zu anstrengend. Sie lächelt, verschmitzt wie ein kleines Kind. Ich fühle mich ein wenig amüsiert und gleichzeitig irritiert, und gemeinsam schauen wir einen kurzen Moment nur der Sonne entgegen und spüren, wie ihre Wärme unsere Körper entspannt. Ich schreibe weiter. Für kurze Zeit. Bis ein schriller, belustigter Aufschrei von einem Kind meine Aufmerksamkeit wieder nach außen lenkt. Ein Eichhörnchen hat sich auf unseren Elite Hügel getraut und nähert sich neugierig und flink unseren Bänken. Wir schauen auf, die alte Lady und ich im Einklang. Wir lächeln und verfolgen mit unseren Augen das Eichhörnchen, das in die Wiese huscht und anfängt, herum zu graben. Wie schön, wie grazil und gleichzeitig bestimmt und flink, als wüsste es was es will. “Man sieht, dass es Essen sucht”, höre ich meine Sitznachbarin kommentieren. “Ja stimmt”, antworte ich und atme auf “Sie sind so liebenswürdig”, höre ich mich das Eichhörnchen bewundernd sagen. Eine Weile schauen wir dem grauen Tier einfach beim herumhüpfen durch die Wiese zu. Wir lächeln. Gemeinsam, im Einklang. Ich schaue in die Sonne. Ich lächle und genieße und mache es meiner Gleichgesinnten neben mir nach.

Ein Mann und sein Hund erheben sich von der Bank neben uns und langsam gehen die beiden gemeinsam an uns vorbei, den Hügel hinab, in den Schatten. Ganz friedlich vereint. “Es scheint, als wäre der Hund krank. Er hinkt so langsam hinterher”, höre ich die vertraute Stimme neben mir. “Mhm, das kann sein, er sieht müde aus”, stimmte ich zu. Ich überlege einen Moment und merke, ich bin auch müde. Der Schatten schleicht sich langsam an unsere Bank heran. Es wird kühler. Zeit zu gehen, denke ich.

Langsam packe ich meine Sachen zusammen in meine Tasche. Blicke nochmal in die Sonne, atme tief durch, lächle und erhebe mich mit einem “Auf Wiedersehen” zu meiner Gefährtin. “Es wird kalt”, antwortet sie wissend “Auf Wiedersehen”. Ich lächle sie nochmal an, lächle nochmal in die Sonne und begebe mich langsam den Hügel hinab. In den Schatten, ganz friedlich, leicht und mit einer tiefen Ruhe in mir. Ein Gefühl der Erkenntnis schwingt in mir nach, während ich mich den Hang hinunter treiben lasse. “Ich glaube das ist die Gegenwart”, staune ich bewundernd in mich hinein “Danke dafür, goldene Lady”.